Die Krux mit dem Niederschlag
Die Menge und Verteilung von Niederschlägen sind der entscheidende Faktor für die Entzündungsgefahr von Waldbränden. Gleichzeitig haben sie Auswirkungen auf das Feuerverhalten. In langen Trockenperioden wird der Ruf nach „ergiebigen“ Niederschlägen laut. Aber was bedeutet überhaupt ergiebig? Und wie wirken sich Regen, Schnee, Tau und Nebel auf die Waldbrandgefahr aus?
Will man die meteorologischen Vorgänge am Boden beschreiben, bedient man sich dreier Elemente: Dem kurzfristigen (aktuellen) Wetter, der Witterung (dem Wetter über einen längeren Zeitraum) und dem Klima, dem Durchschnitt der dynamischen Prozesse der Erdatmosphäre. Das Klima in Österreich lässt sich folgendermaßen charakterisieren:
[...] Im Westen und Norden Österreichs herrscht ozeanischer beeinflusstes, oft von feuchten Westwinden geprägtes Klima vor. Im Osten überwiegt hingegen pannonisch-kontinentaleres, niederschlagsarmes Klima mit heißen Sommern und kalten Wintern. Besonders in den Südalpen ist der Einfluss niederschlagsreicher Tiefdruckgebiete aus dem Mittelmeerraum spürbar. Tatsächlich ist das regionale Klima Österreichs von der alpinen Topografie stark überprägt. [...]
Quelle: Wikipedia
Dies bedeutet, dass sich Österreich der feucht-warmgemäßigten Zone ohne Regen- oder explizite Trockenzeiten zuordnen lässt. In einem durchschnittlichen Jahr wechseln sich feuchte und trockene Phasen ab, wobei es in Richtung Westen sowie in größeren Höhenlagen mehr Niederschläge gibt und in der Ebene sowie nach Osten zu tendenziell trockener ist. Im Zuge der Klimaveränderung ist es wahrscheinlich, dass Trockenperioden und Hitzewellen zunehmen werden – wie es bereits in zahlreichen Ländern weltweit der Fall ist.
Um eine Trockenperiode – und damit eine erhöhte Waldbrandgefahr – zu entschärfen, braucht es in erster Linie Niederschläge. Für die Trockenheit stimmt dies in jedem Fall, bei der Waldbrandgefahr ist es nicht ganz so einfach. So können selbst regenfreie Tage die Entzündungsgefahr von Waldbränden verringern, wenn sie mit wenig Sonne und hoher Luftfeuchtigkeit einhergehen. Auf der anderen Seite sind südseitige Hänge mit offenem Waldbestand trockener als Nordhänge. Wenige warme und sonnige Tage können selbst nach ergiebigen Regenfällen für eine hohe Entzündungsgefahr ausreichen. Daneben hat die Phänologie der Pflanzen in Laubwäldern erheblichen Einfluss auf die Waldbrandgefahr.
Für eine nachhaltige Entschärfung der Brandgefahr braucht es in der Regel die anfangs erwähnten ergiebigen Niederschläge. Dieser Begriff ist, wie so vieles, relativ. So sind hinsichtlich der Wirksamkeit von Niederschlägen folgende Punkte zu beachten:
- Wofür soll die Ergiebigkeit/Wirksamkeit gelten? Beispielsweise geht die Entzündungsgefahr von Waldbränden zumindest kurzfristig bereits bei starke Bewölkung und hoher Luftfeuchtigkeit oder wenigen Millimetern Niederschlag zurück, während eine massive Dürre 50 mm Regen oder mehr für eine nachhaltige Entspannung benötigen kann.
- Wie lange ist es schon trocken? Bei Dürren verringert sich die Aufnahmekapazität des Bodens, besonders hinsichtlich Starkniederschlägen, wie sie im Sommer oft im Zuge von Regenschauern und Gewittern auftreten. Das bedeutet, dass beispielsweise 20mm Niederschlag in 20 Minuten durch die hohe Abflussrate weniger hilfreich sein können, als 10mm in zwei Stunden. Ebenso sind Folgeniederschläge nach einer Trockenheit ergiebiger, als Erstniederschläge.
- Wo fällt der Niederschlag? Auf Freiflächen gelangt mehr und rascher Feuchtigkeit bis zum Boden bzw. den Pflanzenwurzeln. In einem dichten Waldbestand kann viel Niederschlag durch den Interzeptionsverlust (Verdunstung an der Oberfläche der Pflanzen, z. B. an Blättern und Nadeln) verlorengehen, bevor er die Bodenstreu benetzt oder den Bäumen effektiv zur Verfügung steht.
- Wann tritt der Niederschlag auf? Regen, der etwa im Zuge eines sommerlichen Schauers am frühen Nachmittag niedergeht, ist durch die höheren Temperaturen und die hohe Verdunstungsrate nicht so wirksam, wie ein nächtlicher Regenguss. Hohe Regen-/Schneesummen im Spätherbst und Winter füllen die tiefreichenden Bodenwasserspeicher auf und können damit Dürren im Folgejahr vorbeugen. Andererseits werden Niederschläge in der Vegetationsperiode im Frühjahr häufig zur Gänze von den Pflanzen aufgenommen und können damit eine ggf. vorhandene Trockenheit nur eingeschränkt mindern.
- Tritt der Niederschlag in Verbindung mit Wind auf bzw. ist es nach dem Regenereignis windig? Wind erhöht einerseits den Interzeptionsverlust, andererseits auch die Verdunstungsrate der Pflanzen selbst, die Evapotranspiration, wodurch diese mehr Feuchtigkeit verlieren.
- In welcher Intensität und Form tritt Niederschlag auf? Schnee kann dafür sorgen, dass der Niederschlag langsam in den Erdboden eindringt und besser aufgenommen wird. Der oben erwähnte Starkregen führt dazu, dass viel Wasser oberflächlich abgeführt wird.
Als Faustregel gilt: 10 mm Niederschlag in 24h führen zu einer nachhaltigen Verringerung der Entzündungsgefahr von Waldbränden. Ab 20 mm Niederschlag wird auch das Feuerverhalten nachhaltig entschärft. Daher können Niederschlagssummen von 10–20 mm/24h hinsichtlich der Waldbrandgefahr als ergiebig (bzw. nachhaltig wirksam) angesehen werden. Wichtig: Eine geringe Waldbrandgefahr bedeutet nicht zwangsläufig auch das Ende der Trockenheit.
Für die Beendigung einer lang anhaltenden Dürre ist mehr Niederschlag notwendig, als für die Abnahme der Waldbrandgefahr. Die folgende Zusammenstellung gibt eine grobe Abschätzung der Auswirkungen verschiedener Niederschlagsmengen und kann je nach oben genannten Bedingungen erheblich abweichen.
# 2–3 mm Niederschlag (bzw. Liter/m²) oder weniger in 24 Stunden: Hier ist selbst im Freiland nicht mit einer relevanten Wirkung zu rechnen. Der Boden wird oberflächennah angefeuchtet, meist gelangt keine Feuchtigkeit zu den Pflanzenwurzeln. Ein heißer Sommertag kann ausreichen, dass die Entzündungsgefahr von Vegetationsbränden in den Abendstunden wieder so hoch ist wie zuvor. Ebenso gibt es keine Auswirkungen auf eine vorhandene Dürre.
# 3–5 mm in 24h: Im Freiland führt diese Niederschlagsmenge zu einer Vermindung der Flurbrandgefahr. Pflanzen mit oberflächennahen Wurzeln können etwas Feuchtigkeit aufnehmen. Nach zwei, drei heißen Sommertagen ist eine ähnliche Brandgefahr wie davor zu erwarten. Im Waldbestand führt diese Niederschlagsmenge nur zu einer kurzfristigen Abnahme der Entzündungsgefahr (und zu keiner Entschärfung des Brandverhaltens). Eine vorhandene Dürre wird durch diese Niederschlagsmenge nicht entschärft. Allerdings können wiederholte, geringe Niederschläge (z. B. alle zwei, drei Tage gewittrige Schauer im Sommer) die Entzündungsgefahr von Waldbränden durchwegs gering halten.
# 5–10 mm in 24h: Im Freiland wird die Flurbrandgefahr meist für einige Tage oder länger verringert. Im Waldbestand reicht diese Summe durch den verstärkten Interzeptionsverlust nicht aus, um einen nachhaltigen Effekt auf den Feuchtigkeitshaushalt zu haben. Die Entzündungsgefahr ist für einige Tag reduziert, an dem zu erwartenden Brandverhalten ändert sich nur wenig. Im Fall einer Dürre gibt es keine nachhaltig positiven Effekte.
# 10–20 mm in 24h: Der Niederschlag wird überall für Pflanzen wirksam und erreicht auch tiefere Bodenhorizonte, womit sich erstmals auch eine Dürre entspannen kann. Im Freiland vermindert diese Niederschlagssumme die Brandgefahr für ein bis zwei Wochen. Auch im Waldbestand wird zumindest eine Entspannung von einigen Tagen erreicht, wobei nicht nur die Entzündungsgefahr deutlich zurückgeht, sondern sich auch das zu erwartende Feuerverhalten entschärft.
# mehr als 20 mm in 24h: Ab dieser Regenmenge steht auch im dichten Waldbestand ausreichend Feuchtigkeit für eine nachhaltige Verminderung der kumulierten Waldbrandgefahr zur Verfügung. Ebenso füllen sich nun die Wasserspeicher im Boden auf und die Trockenheit geht zurück. Bei einer lang anhaltenden Trockenheit kann diese Niederschlagssumme für eine Entspannung (auch der kumulierten Waldbrandgefahr) zu wenig sein.
Bis jetzt haben wir nur über Niederschläge in Form von Regen und Schnee gesprochen. Aber was ist zum Beispiel mit Tau oder Reif? Diese Niederschlagsformen bildet sich bevorzugt bei klaren, windschwachen Nächten, in denen es bodennah stark abkühlt und die vorhandene Luftfeuchtigkeit kondensiert. Im Gebirgsraum kann das ganze Jahr über Tau auftreten, in den flachen Regionen ist er im Herbst besonders häufig. Tau bzw. Reif vermindert speziell die Entzündungsgefahr von Waldbränden. Je nach Sonnenstand, Wind, Luftfeuchtigkeit und Temperatur kann es einige Stunden dauern, bis der Tau/Reif verdunstet ist – oder er verdunstet auch gar nicht.
Ähnliches gilt für Nebel: Im Prinzip sind dies am Boden aufliegende Wolken, das heißt Bereiche der Atmosphäre, in denen kleine Wassertröpfchen fein verteilt sind. Nebel reduziert durch die Benetzung der Oberflächen ähnlich wie Tau und Reif die Entzündungsgefahr von Waldbränden. Eine nachhaltige Entspannung der Waldbrandgefahr – außer bei beständigen Hochnebellagen – ist nicht zu erwarten. Ebenso können Nebel oder Tau keine lang anhaltende Dürre beseitigen. Dazu braucht es Hilfe von oben: ergiebige Niederschläge.